Abi 98
Abizeitung: Physik-GK

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Physik-GK

Zauberkurs für Fortgeschrittene beim großen Meister

Magic Winnie

Magic-Winni betritt den Saal mit einem Wagen voller Zauberutensilien, die er sorgfältig für die folgene Lektion ausgewählt und vorbereitet hat. Er ist ein sehr professioneller Zauberer, denn er zeigt keinerlei Anzeichen von Nervosität. Ganz locker und hochmotiviert will er mit der Vorführung seiner Künste beginnen. Doch er vermisst seine geheimnisvolle Zaubertasche und den Schlüssel zum Zaubersaft, der für die heutige Lektion unentbehrlich ist. Aber hier kann er sich ganz auf seine Lehrlinge verlassen, die die Zerstreutheit des großen Meisters nur zu gut kennen. Mit freundlichen Hinweisen - sie wollen den Meister ja nicht bloßstellen - führen sie ihn zu den gesuchten Dingen, z.B. zum Schlüssel im Tageslichtprojektor oder seiner Tasche, die der Meister auf dem Gang hat stehen lassen: "halt, halt, wärmer...".
Dann beginnt die Vorstellung. Magic-Winni legt ein Kabel durch Eisen-spähne, und mit einem einzigen Zauberspruch - "mal sehn, was jetzt passiert" - gehorchen ihm die Spähne und ordnet sich kreisförmig um das Kabel an. Das Staunen und der Beifall seiner Lehrlinge sind ihm sicher. Der Meister läßt seine Lehrlinge jedoch nicht in Unwissenheit, sondern erläutert seinen Trick an der Tafel. Das macht er mit soviel Enthusiasmus, daß nach der Lektion seine schöne Hose, die wiedermal perfekt zum (karierten) Hemd paßt, voller weißer Zauberstaub ist. Da freut sich seine Zauberfrau Birgit, die ihn jeden Morgen so nett einkleidet, sicher überhaupt nicht.
So zaubert Magic-Winni bei jeder Lektion neue erstaunliche Dinge, über die sich seine Lehrlinge sehr freuen: er verwandelt Elektronen in Photonen, wozu er seine ganze Konzentration braucht und die Lehrlinge wie immer in erwartungsvollem Schweigen verharren ... er zaubert aus dem Nichts Spannung hervor, was er durch einige geschickte Bewegungen in einem speziellen Zauberfeld erreicht ... Am schönsten sind die Tricks, bei denen er einfaches weißes Licht mit Hilfe von Zaubergittern in vielfältige bunte Muster an der Wand verwandelt oder auf einen selbstgebauten Zauberbaum, auf dessen Stamm unzählige dünne, durchsichtige Ästchen angebracht sind, bunte Lichtpunkte in allen Farben zaubert. Magic-Winni ist nämlich ein so motivierter Zauberer, daß er manche Zauberutensilien selbst herstellt - zu Hause in seiner Zauberwerkstatt.
Die Lehrlinge sind dem großen Meister auch nicht böse, wenn ein Trick mal nicht so gelingt, wie es sich der Meister vorgestellt hatte, ganz im Gegenteil... Vielleicht liegt es ja daran, daß Lehrlinge des anderen (Leistungs) Zauberkurses seine Utensilien durcheinander gebracht haben oder daran, daß er einfach den falschen Zauberspruch verwendet - "naja, ich weiß net, ob des klappt".
Leider zaubert Magic-Winni nicht nur erfreuliche Sachen. Zweimal in jedem Halbjahr zauberte er ein weißes Blatt hervor, das er mit schwarzen Zauberzeichen und -figuren versehen hatte, um seinen Lehrlingen vor Augen zu halten, wie weit jeder einzelne in seinen Zauberkünsten bereits fortgeschritten war, und er überprüfte hier auch, ob die Lehrlinge ihren Platz in Winnis Zauberkurs zurecht innehatten. Dabei ist es leider so, daß Magic-Winni nicht an Zauberei oder "zufällig Richtiges" glaubt. Außerdem ist er in dieser Hinsicht ein sehr strenger Zauberer, denn er verschenkte keinen einzigen Zauberpunkt. So verließen vier seiner Lehrlinge den Kurs vorzeitig nach einem Jahr - sei es, weil sie glaubten, die Zauberei lang genug studiert zu haben, sei es aus Untalentiert-heit, sei es, weil sie ihre Lachmuskeln nicht überstrapazieren wollten.
Magic-Winni ist übrigens nicht nur ein toller Zauberer, sondern auch ein guter Menschenkenner. So hat er schnell herausgefunden, daß in einem seiner Anfängerkurse ein sehr begnadeter Lehrling war: Fridolin. Um dessen Talent zu fördern, hat er diesen des öfteren in unseren Kurs mitgebracht. Leider war sich Fridolin der speziellen Förderung nicht bewußt und verließ so den Ort des Zauberns sehr schnell. Dabei ist die Herkunft seines Talents leicht zu erklären. Denn er durfte den Meister nach seinen erteilten Lektionen in dessen roten Zauberwagen, in dem erstaunlich viel Platz für kleine Zauberlehrlinge ist - vor allem auch für Magic-Winni junior -, begleiten. So hat wohl das Talent des Meisters auf den kleinen Lehrling abgefärbt.
Was noch erwähnenswert ist: Winnis Zauberkurs war immer aktuell. So konnten seine Lehrlinge die Rätselfrage einer sonntags im TV laufenden Zaubershow, die "Knoff-Hoff-Show", nach den Montagslektionen richtig beantworten. Leider haben sie trotzdem nie ein Fahrrad oder einen anderen Preis gewonnen. Denn soweit reicht Winnis Zauberei leider nicht.
Sie hört indessen schon da auf, wo er versucht, einen anderen Bereich der Zauberkunst zu betreten. Dazu zählt wohl die Küche seiner Zauberfrau Birgit, in der er für seine Lehrlinge ein Kunstwerk zaubern wollte. Leider hält Birgit ihre Zauberutensilien - wie z.B. Haselnüsse - gut vor dem großen Meister versteckt, da sie dessen Zauberkünste genau einschätzen kann. Dadurch läßt sich Magic-Winni, der von seinen Lehrlingen bereits nachdrücklich zu diesem Experiment gedrängt worden ist, nicht abhalten. Er hat sein Versprechen bereits gegeben, außerdem will er seinen Lehrlingen in nichts nachstehen, welchen ein Experiment dieser Art schon oft gelungen ist, wovon sich der Meister immer wieder gern überzeugt hat. So präsentiert er ihnen in einer der letzten Stunden das Ergebnis seines Zauberversuchs in Birgits Küche. Es sieht lecker aus, rund, schokoladig und mit bunten Smarties verziert. Dann kommt die Überraschung: innen sieht das Zauberwerk nicht mehr so lecker aus. Denn Winni hat sich vom Fehlen der Haselnüsse nicht irritieren lassen und sie durch Haselnußcreme - Nutella - ersetzt... Trotzdem schmeckt den Lehrlingen das Zauberstück und bevor es die Oma bekommt, essen sie es selbst...

Sehr geehrter großer Meister,
obwohl Ihr uns nie was geschenkt habt, außer dem tollen Schokokuchen und dem Eis, das wir in der allerletzten Zauberstunde hoffentlich wirklich bekommen (aber bitte nicht selber zaubern!), war es ein Riesenspaß, den Physik-Zauberkurs gewählt zu haben. Ihr wurdet nie böse, wenn einer mal nicht da sein konnte, und habt jeden Spaß mitgemacht, wobei wir meistens mehr drüber lachen konnten als Ihr. Ihr habt uns Lehrlingen die Chance gegeben, durch ein Referat einen Zauberpunkt zusätzlich zu bekommen, was aber glücklicherweise keine Pflicht war.

In der Hoffnung, würdige Zauberkünstler geworden zu sein
Euer Physik-GK

P.S.: Um Euch nicht in Unwissenheit zu lassen: Ein Kuchen war nicht selbst gezaubert...





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Text: Physik-GK
© 1998 by
Sebastian Stein