Abi 98
Abizeitung: Latein-LK

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Latein-LK

"Einen wunderschönen guten Morgen..."

"Eine nette Geschichte"
Von Gestalten zu künden, die in vollendete Lateiner (?) verwandelt wurden, treibt uns der Geist. Du alte Sprache - hast du doch jene Verwandlungen bewirkt - beflügle unser Beginnen mit deinen unverwechselbaren Macken und führe unsere Dichtung vom allerersten Ursprung unseres LK´s ununterbrochen bis zur heutigen Zeit! (nach Ov. met. 1, 1-4)
Es gibt einen Platz in der Mitte des Kursraums, zwischen Tischen und Stühlen, der Mittelpunkt der Reihe, von dort kann man alles, was irgendwo geschieht, und sei es auch noch so weit entfernt, sehen, und jede Stimme dringt an das lauschende Ohr. Hebel sitzt dort und hat sich an dieser Stelle häuslich niedergelassen, seine Unterlagen um sich herum verteilt und sich aus Eitelkeit geweigert, seine Brille aufzusetzen. Überall hört er herum, wirft Klänge zurück und wiederholt, was er glaubt, gehört zu haben. Es herrscht keine Ruhe, nirgends Stille, doch auch kein Lärm, nur leises Murmeln wie von Meereswellen, wenn man sie von ferne hört, oder wie das letzte Grollen von Iuppiters Donner in den schwarzen Wolken. Im Kursraum sind viele Leute, sie kommen, sie gehen, ein leichtes Völkchen; wahre und erlogene Verbformen wirbeln zu Tausenden durcheinander, und es herrscht ein Gewirr von Stimmen. Die einen füllen unbeschäftigte Ohren mit Gerede, die anderen tragen das Erzählte weiter, und das Maß an Erfundenem wächst; jeder neu Aufgerufene fügt dem Gehörten etwas hinzu. Dort wohnt die Leichtgläubigkeit, dort der leichtfertige Irrtum, die eitle Freude und die fassungslosen Ängste, der jähe Aufruhr und das Geflüster, dessen Urheber man wohl kennt. Hebel selbst sieht, was am Fenster, an der Tür und in der Mitte geschieht, und blickt forschend in die weite Runde. (nach Ov. met. 12, 39-63)
"Danke. Dann wollen wir mal weitermachen. Den Zusammenhang?"
Als wir noch jung und hübsch waren und noch nichts von Hebels Freundlichkeiten wußten, da lebten wir halt... - "Solche Füllwörtchen lassen wir jetzt mal weg..." gut, jedenfalls lebten wir noch glücklich und zufrieden.
"Schön. Dann setzen wir da wieder ein."
Doch dann kam dieser, mit dem... - "Müssen wir denn schon wieder unsere Schallplatte abspielen!" - der, mit dem wir die nächsten fünf Jahre verbringen sollten. Am Anfang, da wo es losging - "Sagen Sie mal, welche Sprache sprechen Sie eigentlich zu Hause?" - hatte er noch keine grauen Haare, doch das sollte sich noch ändern.
In den folgenden drei Jahren wechselten sich sonnige Tage - "Die Sonne schien ihr auf´s Gehirn, da nahm sie einen Sonnenschirm" - und trübe - "Sauhaufen!" - ab.
Gegen Ende der elften Klasse entschlossen sich sieben Mitglieder der a, bei diesem, der - "Also Sie gehören wirklich auf den Mond geschossen" - also: dem, der uns bisher unterrichtet hatte, auch LK zu machen. Verstärkung kriegten wir - "Machen Sie nur weiter so, ein Platz in der Mondrakete ist noch frei..." - durch ein wagemutiges Mitglied der b. So hatten wir unsere endgültige Stärke erreicht.
Dem Ovid seine Metamorphosen - "Arrrrrrrgh"-und der Seneca - "Sie sollten den Artikel vor Namen weglassen, das klingt viel gebildeter. Der Seneca schreibt da z. B..." - standen auf dem Lehrplan. Unser Lehrer sparte in all der Zeit keinesfalls mit aufmunternden Kommentaren, und wir hatten ausgiebig Gelegenheit, den ihm eigenen Sarkasmus zu erleiden - "Waaaas? Wo steht das denn? Sie sollten mal ihre Vokabelkenntnisse auffrischen!" - äh, zu genießen.
Gelegentlich unternahmen wir auch Ausflüge in die griechische Mythologie und römische Geschichte, welche dann weite Abschnitte der Stunde in Anspruch nahmen.
Oft führten uns diese Ausflüge vom Hundertsten ins Tausendste, die nebenbei bemerkt ja beide Vielfache von Zehn sind, welches wiederum das Zehnfache von Eins ist, und Eins... - "Wie waren wir jetzt darauf gekommen?" - ach, genau. Manchmal verhalf er uns auch zu tieferen Kenntnissen in Sachkunde, zum Beispiel kann sich jetzt jeder von uns unter einem Relief etwas vorstellen, haja, das ist halt ein - "Füllwörter!" - das ist ein...äh... - "ein Bild, an dem man einmal vorbeistreift, und es macht klack, klack, klack.."
Literarische Querverweise, wie z. B., daß Shakespeare die Geschichte von Pyramus und Thisbe in "Romeo und Julia" ...oder war es "Ein Sommernachtstraum"?... nein, "Romeo und Julia" wars - "Jaja, Murphy läßt grüßen..." - in "Ein Sommernachtstraum" also, wiederaufgenommen hat, fehlten auch nie. Ab und an stritt man sich leidenschaftlich, wie, wo und warum wann welche Punkte zu vergeben seien, wobei sich besonders ein Mitglied unseres Kurses als AvD (Argumentierer vom Dienst) entpuppte. Diesem Mitglied blieb jedoch meist keine Chance, da unser Lehrer nicht nur gerne auf Pferden, sondern auch auf Argumenten herumreitet, und zwar so lange, bis sie keine mehr sind (die Argumente natürlich).
Auf jeden Fall werden wir dieses... - "Haus. Wissen Sie, was das ist? So mit Fenstern und einem Dach..." - Haus jetzt bald verlassen.
Abschließend können wir feststellen, daß...murmel... murmel...murmel... - "Das war sicher richtig, verstanden hab´ ich nichts." - äh, genau das.

GONG.

Ernsthafterweise können wir sagen, daß unsere Lateinstunden immer sehr lehrreich waren. Oft konnten wir verblüffende Verbindungen knüpfen und ebenso verblüfft feststellen, mit was Latein so zu tun hat: Etymologien (wahlweise auch von Feldern, Wäldern und Wiesen), Biologie, Musik, Englisch, Schlafmittel, Pferde, Hunde und anderes Getier, Politik, Eßgewohnheiten, Architektur, deutsche Grammatik, Autos, Unwetter, Medizin, zwischenmenschliche Beziehungen etc...
Ebenso abwechslungsreich wie die Stunden waren auch unsere Stimmungslagen, die bezüglich der uns gegenübersitzenden Person aufkamen. Von "Also heute war er richtig nett" über "Also des war ja heut´ wieder..." bis "Also heute wäre ich ihm am liebsten an den Hals gesprungen!" war im Laufe der Zeit wohl so ziemlich alles vertreten. Diese Stimmungsschwankungen hatten wir in erster Linie Hebels Liebenswürdigkeiten zu verdanken, aber auch seinen gelegentlichen Anwandlungen von Kritiksucht.
Apropos Sitzordnung: hier hatte Carmen einen besonderen Glückstreffer gelandet. Aufgrund ihrer Mittelposition in unserer achtköpfigen Reihe saß Hebel ihr immer direkt gegenüber, so daß ihr die Vorzugsbehandlung einer permanenten Observation zuteil wurde. Alle Versuche, den Lehrerstuhl noch vor Beginn der Stunde in eine strategisch günstigere Position zu bringen, scheiterten kläglich.
So, jetzt wollen wir noch zwei Dinge tun:
a) endlich diesen Artikel beenden
b) unserem Lehrer alles in allem Dankeschön sagen (immerhin hatte er den Großteil des Kurses fünf ganze Jahre am Hals....trotzdem hoffen wir, daß wir nicht alleine an den grauen Haaren schuld sind!). Also:

Dankeschön! ...Und Schluß!





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Text: Latein-LK
© 1998 by
Sebastian Stein