Abi 98
Abizeitung: Erdkunde-GK

Bottom  Inhalt  Inhalt der Abizeitung  Übersicht

Erdkunde-GK

Wie Günther unsre Karawane sicher durch den Lehrplan (?) führte

Der Führer unserer Karawane war vielen von uns einfachen "Nomaden" schon von früheren Biologieführungen bestens bekannt. So fiel es uns nicht allzu schwer, uns auf ihn einzustellen.
Zweimal in jeder Woche legten wir in 12.2 und 13.1 Märsche von ca. 40 min. zurück, angeführt von unserem "Obernomaden" Schindler. Damit dieser jeweils zu uns fand, erwies es sich als notwendig, daß zwei der Nomaden sich auf die Suche nach ihm machten. Er tarnte seine Unwissenheit darüber, wo sich seine Herde gerade befinde, dadurch, daß er vorgab, sie müßten ihm beim Tragen einiger (Land-)Karten und Filmprojektoren helfen.
So machten wir uns zuerst auf, Europa und Deutschland-West und -Ost zu erkunden. Vor allem die "heutige DDR" schien ihm auf dieser Reise am Herzen zu liegen. Außerdem hatte es den Anschein, daß dem Obernomaden der Reiseweg bestens bekannt war, was ja nicht sehr häufig der Fall war, denn er machte mit einer Anfängerkarawane parallel den gleichen Weg. Das kann man aus den anspruchsvollen Fragen auf den Landkarten, die er uns mit Vorliebe austeilte, erschließen: "Was meinst Du: das wievielt größte Land ist Deutschland flächenmäßig in Europa?", oder: "Rate mal, wie viele Länder es auf der Erde gibt." Auch betonte unser Obernomade immer wieder die Bedeutung der musischen Fächer: "Ich male Deutschland mit blauer Farbe aus." - eine weitere Aufgabe auf seiner Karte. Später ging das sogar soweit, daß wir die Route anderer Nomaden in Karten zeichnen durften.
Im Folgenden wandten wir uns intensiv der Landwirtschaft in Deutschland zu, was allerdings mehr in eine historische Studie derselben ausartete, denn sowohl im Buch, das eigentlich gar nicht zum Lehrplan paßte - das neue kommt erst nächstes Jahr, wenn es auch wieder veraltet ist -, als auch auf den Blättern, die uns der Obernomade austeilte, stand keinerlei Aktuelles. Sprüche wie "die Statistik ist ja genauso alt wie ich" waren von uns nicht selten zu hören.
Darauf folgte ein Streifzug durch die deutsche Industrie. Wenn er ein Thema besonders lang und ausführlich behandelte und mehrere Filme doppelt zeigte - wobei für das Ende bei keinem Mal Zeit blieb -, mußte ein anderes Thema kürzer treten. Dummerweise war das dann ein Thema, das unserem Obernomaden in Klausuren besonders wichtig erschien. Wenigstens brachte er bei jeder Klausur eine Karte, so daß es fast unmöglich war, null Punkte zu erreichen. Wie jedoch die einzelnen Zensuren zustande kamen, war für uns nicht nachvollziehbar. Es schien einige Nomaden zu geben, die dem Obernomaden von anderen Führungen her unsympathisch waren. Für diese Pechvögel war es unmöglich, ihr Image aufzubessern.
Wenigstens hatte er seine Marotte, den Inhalt der zuletzt zurückgelegten Teilstrecke abzufragen, nicht hierher mitgebracht. Dachten wir, bis... er eines Montagmorgens ankam (hergeführt wurde) und eine ahnungslose Mit-nomadin dazu aufforderte. Diese konnte sich vielleicht schon an das Gefragte erinnern, war aber über die Aufforderung so schockiert, daß sie relativ unfähig zu einer sinnvollen Äußerung war. Nach dieser Verunsicherung seiner Herde vergaß unser Obernomade dieses Vorhaben allerdings schnell wieder. Nachdem wir weitere Streifzüge durch sämtliche Wirtschaftsformen und den Nomadismus hinter uns gebracht hatten, waren wir sogar soweit, uns auf die nun wieder folgenden Gemein-schaftskundestunden beim roten Wolfgang zu freuen, die den krassen Gegensatz zu den Erdkundestunden bildeten: sie waren anspruchsvoll, alles andere als langweilig und manchmal wirklich interessant.
Loben muß man allerdings noch die Sorge des Obernomaden um seine Herde. Er achtete immer darauf, daß der vorgeschriebene Feuerschutzgang zwischen den Reihen eingehalten wurde. Außerdem lag ihm jeder einzelne seiner Nomaden sehr am Herzen, denn er überprüfte deren Anwesenheit anhand eines Sitzplanes (übrigens eine weitere Parallele zu seinen Anfängerherden), was bei Nicht-Einhalten der Sitzordnung gelegentlich zu Verwechslungen führen konnte.
Auch seine Geduld muß gelobt werden, die er bei der Beantwortung von Fragen unwissender Nomaden häufig aufbringen mußte. Oder war es Stolz darüber, daß wir ihm ein derartiges Wissen zutrauten? Eine Ablösung durch einen anderen Obernomaden ist wohl kurzfristig nicht zu erwarten, was uns eine Art Drohung in den letzten Stunden andeutete, es sei denn, man schafft es, die Verhältnisse irgendwie zu verändern (Bitte!):
"So lang das die Tür ist, wo man rausgeht, werd ich Unterricht halten!"

Miriam

Teilnehmer an der Karawane: Alexandra, Carl, Nici, Michael, Tünde, Bernd, Katinka, Daniel, Steffen, Carmen,Gunilla, Jennifer, Melanie, Giovanni, Andrea, Claudia, Jessi, Carolin, Rainer, Miriam und Ronnie (zeitweise)





Top  Inhalt  Inhalt der Abizeitung  Übersicht
Text: Miriam Weber
© 1998 by
Sebastian Stein